Die UNESCO und die Weltorganisation für Meteorologie haben für 2025 das Internationale Jahr des Gletscherschutzes ausgerufen. Aus diesem Anlass sollen die folgenden Zeilen zum Nachdenken anregen.
Nach den sommerlichen Wanderungen in den Alpen ist uns einmal mehr offenbar geworden, wie die Eisflächen der Hochalpen weiter dahingeschmolzen sind. Schnee und Firn sind tristem Grau von Moränenschutt gewichen. Wie rapide sich dort die Landschaft ändert, führen uns auch glaziologische Daten vor Augen. So ziehen sich Gletscherzungen in den Sommermonaten jeden Tag um 10-20 cm zurück. In den ersten 15 Jahren des neuen Jahrtausends verloren die Alpengletscher durchschnittlich fast einen Meter Eisdicke pro Jahr. In der Schweiz reduzierte sich das Gletschervolumen seit 2000 um fast 40 %. Der Ötztaler Hintereisferner hat sich in den vergangenen 150 Jahren um rund vier Kilometer zurückgezogen.
Das liegt nicht nur an den gestiegenen Durchschnittstemperaturen (in Österreich in den zurückliegenden 150 Jahren um rund drei Grad Kelvin!), sondern auch an sehr schneearmen Wintern, wie z. B. 2022. Letztere führen dazu, dass die Gletscher schon früh schneefrei werden, somit das dunklere Gletschereis die Sonnenwärme absorbiert statt reflektiert.
Noch schlimmer ist, was man nicht sieht: die Gletscher werden von innen durch Schmelzwasser ausgehöhlt und dadurch instabil. Die Folge: eine Zunahme katastrophaler Gletscherbrüche, wie an der Marmolata im Sommer 2022, oder einige Jahrzehnte zuvor am Grand Combin eine verheerende Eislawine.
Hochtouren werden somit risikoreicher und erfordern eine sorgfältige Planung, d. h. auch erhöhte Vorsicht an besonders warmen Tagen, wie wir sie z. B. im August 2023 hatten, als Meteorologen im Monte Rosa-Gebiet die Null-Grad-Grenze bei 5298 Metern ermittelt hatten (Alpen-Rekord!), somit am zweithöchsten Alpengipfel Tauwetter angesagt war.
Blicken wir kurz auf die Eisflächen ausserhalb Europas: in den vergangenen 50 Jahren sind weltweit mehr als neun Billionen Tonnen Eis geschmolzen. Besonders stark sind die Eisverluste in Alaska und an Grönlands Küsten. Lediglich in einigen südwestasiatischen Gebirgsregionen war die Massenbilanz zeitweise positiv. Ein Lichtblick? Sicher nicht!
Der Polar- und Gletscherforscher Dirk Notz äusserte jüngst mit Blick auf unsere Verantwortung für den Klimawandel „ …, dass der Mensch schon heute die Macht hat, ganze Landschaften von der Oberfläche unseres Planeten zu tilgen“.
Robert Wolf
Quellen: F.A.Z., European Space Agency (ESA), World Glacier Monitoring Service (WGMS), Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österr. Akademie der Wissenschaften (Innsbruck).
Fotos: R. Wolf, 2022, 2023